"Ich würde gerne mal bei einem Cross-Trail mitmachen, ohne befestigte Wege und mit viel Wald und schöner Strecke. In der Nähe von Maastricht soll es da einen ganz guten geben. Läuft du mit?" Zunächst erntete Stefan einen sparsamen Blick von mir. Meine bisherigen Übungs-Trails waren eher bescheiden verlaufen und ich somit wenig interessiert, zumal der brüllende Grizzly auf dem Flyer ein ungutes Gefühl in mir erzeugte. Aber man kann ja mal gucken...
Einige Youtube-Videos später war ich überzeugt. Oder zumindest überredet. Und so fand ich mich am Morgen des 16. September (einem Sonntag) bei schönstem Sonnenschein an der Startlinie des Sint Pietersbear Trails wieder - um wenig später mit einem vergnügten Pulk von Läufern an selbiger vorbeigeführt zu werden. Wir staksten zwischen den Ausläufern eines gigantischen Kalksteinmassivs immer weiter in die Tiefe. Auf meinen fragenden Blick kam nur ein Lächeln und die Antwort "Ja ja, wir starten in der Grube". Nun gut, öfter mal was Neues. Und schon fiel der Startschuss. 

Zunächst fing alles ganz harmlos an. Beeindruckende Kulisse, ein wenig Kiesschlamm und gut gelaunte Läufer soweit das Auge reicht, darüber blauer Himmel und begeisterte Zuschauer. Schnell wurde es dann matschiger und nach einigen hundert Metern saß bereits der erste Läufer - linksseitig barfuß - auf dem Boden und versuchte verzweifelt seinen Schuh zu befreien, den der Schlamm gnadenlos verschlungen hatte.
Kurz später verließen wir die Grube, es ging vorbei an einem idyllischen kleinen See, wo einige Angler uns zujubelten, und dann ab in den Wald. Ich dachte noch "ist ja echt schön hier, aber das mit dem Grizzly ist wohl doch nicht so ganz ernst gemeint" - da ging es erst richtig los. Zunächst noch über breite Schotterwege schlängelte sich der Weg im Zickzack den Berg hinauf und wurde dabei langsam aber sicher immer steiler. Verlässlich wie immer harrten die Fotografen lächelnd der Läufer, die da schwitzend, keuchend und mit hochrotem Kopf die ersten Meter hinter sich gebracht hatten, um die Freuden des sonntäglichen Frühsports bildlich festzuhalten.

Einige von uns beschlossen schon jetzt, ihre Kraft zu sparen und zu gehen. Ich dachte zu dem Zeitpunkt noch "Ich werde heute bis zum Ende laufen, es sind ja schließlich nur 10 km." Weit gefehlt. Denn nach einer kurzen Erholung auf einer lichten Anhöhe mit wunderschönem Blick über Pferdekoppeln, die Maas und einige hübsch anmutende Dörfchen wurde der Weg immer hügeliger. Teilweise ging es an kurzen Passagen so steil bergab, dass man aufpassen musste, nicht vornüber den Hang hinab zu stürzen. Der Weg wurde immer schmaler, links von uns dichtes Gestrüpp, das uns ins Gesicht peitschte und an unseren Shirts und Hosen zog, rechts ein wenig einladender Abgrund. Über Stock und Stein kämpften wir uns immer weiter und plötzlich fanden wir uns an einem ersten Steilhang wieder, den es zu überwinden galt. Der Weg führte gefühlt senkrecht nach oben und wir machten uns an den Anstieg, erst gehend, dann auf allen Vieren. Stück für Stück zogen wir uns an Wurzeln, kleinen Bäumen und Felsvorsprüngen weiter nach oben, überall bröckelten Erde und Geröll unter den Schuhen und manch eine helfende Hand war am Ende nötig um den Berg zu erklimmen. Einen von vielen wohl gemerkt. Das Ganze wurde feierlich begleitet vom Zwitschern diverser Vögel über unseren Köpfen und die Sonne feuerte uns mit allem, was sie hatte an und bescherte uns stetig steigende Temperaturen.

Am zweiten Berg angekommen zeigte er sich dann endlich - der Grizzly. Mitten im Aufstieg schlug er unvermittelt und erbarmungslos seine Zähne und Klauen in unsere Waden und dachte gar nicht daran, uns entkommen zu lassen. Doch wir stellten uns dem Schmerz und kämpften uns weiter bergauf, bis wir am Ende mit vereinten Kräften den Berg bezwungen hatten.

Die letzten 1,5 Kilometer führten uns in sanften Windungen bergab, der Weg wurde wieder breiter und lichter und wir ließen den Wald - und den Bären - hinter uns. Kurz später erreichten wir unter tobendem Applaus das Ziel. Dort erwartete uns ein üppiges Buffet mit allem, was das Herz begehrt - Orangen, Bananen, Honigkuchen, Nüsse, Schokolade... Getränke konnte man sich in zuvor käuflich erworbene Faltbecher oder eigene Trinkflaschen abfüllen - ganz im Sinne des Umweltschutzes und aus meiner Sicht eine gute Idee.

Nach einer kleinen Stärkung erwartete ich noch Stefan im Ziel, der sich direkt den 18 km gestellt hatte und ebenfalls erschöpft aber sehr begeistert den Lauf beendete. Im Vorbeigehen kaufte ich mir noch ein Grizzly-T-Shirt als Andenken an meinen ersten Trail, dann traten wir die Heimreise an.

Unser Resümee: ein heftiger, abwechslungsreicher und extrem cooler Trail mit schöner Landschaft und gutem Publikum - gerne wieder und vielleicht auch für mich beim nächsten Mal auf 18 Kilometern :-)